20.11.2016
Grußwort zur Tagung der Landessynode

Die 4. Tagung der II. Landessynode der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland fand vom 16. bis 19. November 2016 im Erfurter Collegium Maius (Landeskirchenamt) statt. Daher konnte der Präses der Kreissynode des Evangelischen Kirchenkreises Erfurt, Dr. Ulrich Born, ein Grußwort vor den Kirchenparlamentariern sprechen.

Sehr geehrter Präses Lomberg,
Sehr verehrte Frau Landesbischöfin Junkermann,
Hohe Synode,

Herzliche Grüße von der Synode des Kirchenkreises Erfurt, die am vergangenen Sonnabend in der Aula des evangelischen Ratsgymnasiums getagt hat!

Unsere Synode stand ganz – das wird Sie wohl kaum überraschen – im Zeichen des 500 jährigen Reformationsjubiläums und des bevorstehenden Kirchentages auf dem Weg.

Auch Sie haben sich, ebenso wie unsere Kreissynode, während Ihrer jetzigen 4. Tagung der II. Landessynode der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland wieder mit nüchternen Zahlen beschäftigt und auseinandersetzen müssen. Dazu gehören natürlich auch mit gutem Grund die Mitgliederzahlen unserer Kirche und besonders die der Kirchenaustritte.

Selbstverständlich kommen auch wir als Kirche nicht umhin, uns mit Zahlen und Fakten auseinanderzusetzen, Statistiken sachlich zu analysieren und daraus notwendige Schlüsse zu ziehen. In diesem Punkt unterscheiden sich Verantwortliche und Entscheidungsträger der Kirche nicht von solchen in Politik, Staat und Gesellschaft. Und doch gibt es einen geradezu fundamentalen Unterschied: Viel ist bei jenen von demographischer Entwicklung, Schwund der einheimischen Bevölkerung und den daraus zu ziehenden Konsequenzen die Rede. Und wie ist es bei uns in der Kirche?

Abnehmende Mitgliederzahlen, weiterhin hohe Austrittszahlen – wenn auch auf einem wieder gesunkenen stabilen Niveau nach der katastrophalen Auswirkung der Kirchensteuer auf Kapitalertragssteuer im Jahr 2014 – der Ihnen vorliegende Finanzbericht stellt das ja detailliert dar.
Doch was sind unsere Schlussfolgerungen?

Stellenpläne, die weniger hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausweisen, weniger Geld für Diakonie, vielleicht auch mittelfristig für Kinder- und Jugendarbeit. Ist das wirkliche unsere Antwort als Kirche?

„Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit“ so heißt es im 2. Timotheus-Brief, Kapitel 1 Vers 7, ein Vers übrigens, den mir mein Vater zu meiner Konfirmation ins Stammbuch geschrieben hat.

In einer Zeit weit verbreiteter Orientierungslosigkeit, zunehmender Werteverluste, suchen immer mehr Menschen nach Halt und Wegweisung: Da kann und darf unsere Antwort gerade nicht lauten: Weil es immer weniger Kirchenmitglieder gibt, Kirchenaustritte an der Tagesordnung sind, ziehen wir uns in unser wohlig warmes, kuscheliges Kirchenschiff zurück und versuchen möglichst unbehelligt von der rauen unwirtlichen, bösen Welt zu überwintern.

Das wäre schlichter, unserem christlichem Grundverständnis völlig diametral entgegengesetzter Kleinglaube. Der Missionsbefehl ist keine romantische in klangvollem Lutherdeutsch verfasste, auch Kirchenfremde anrührende, fromme Zeremonienformel am liebsten gehört bei der Taufe von Kleinstkindern sondern ist die unmissverständliche Anweisung, geradezu Befehl, unseres Herrn Jesus Christus, der uns – jede und jeden von uns – unmittelbar angeht.

Wir, keine Generation vor uns und keine Generation nach uns, haben die einmalige Chance, 500 Jahre Reformation zu feiern und damit Menschenmengen mit der frohen Botschaft von Jesus Christus anzurühren, die sonst wo möglich nie eine Gelegenheit hätten, diese christliche Botschaft hautnah, empathisch, tröstend, Mut machend, zu erleben!

Welch ein Geschenk für uns, das wir ohne Wenn und Aber weitergeben können!

Ist es nicht ermutigend und wunderbar zugleich: Der Papst reist zum lutherischen Weltbund nach Schweden und predigt am Reformationstag dort von einer evangelischen Kanzel. Oder noch viel näher: In Eisenach ziehen am 10. November 2016 tausende von Menschen durch die Stadt von einer Station zur nächsten, verharren am Lutherdenkmal und dort steht auf einer großen Bühne der katholische Bischof Dr. Ulrich Neymeyr, inmitten eines Gemäldes: eingerahmt von unserer Landesbischöfin, der schwedischen Erzbischöfin Dr. Antje Jackelén und zwei evangelischen weiblichen Geistlichen, alle in vollem Ornat und dann dies: Bischöfin Junkermann erzählt den staunenden Kindern und den ebenso verwunderten Erwachsenen, was es mit Martin von Thours auf sich hat und dann kommt der Erfurter Bischof Neymeyr und erzählt den an seinen Lippen hängenden Kindern und den gebannten Erwachsenen, wer Martin Luther ist, welch großartige Bedeutung er für die Kirche und die gesamte Entwicklung in Staat und Gesellschaft hat.

Ganz ehrlich, in diesem Moment habe ich gehofft, wenn doch manch evangelischer Theologe einen solchen Werbeblock für unsere Sache zu gestalten in der Lage wäre. Und dann kommt die Krönung: Auf der Wartburg im Rahmen des Festakts der Thüringer Landesregierung zur offiziellen Eröffnung des Reformationsjubiläums „Luther 2017“: Der katholische Bischof teilt mit, dass er und die Bischöfin – so wörtlich an den jeweiligen „Ordinationsfeiern“ der jeweils anderen Kirche teilnehmen wollen! Müssen wir uns da nicht die Augen reiben und sagen:

Lasst uns dieses Reformationsjubiläum nutzen, endlich unsere Türen ganz weit zu öffnen, Gräben zu überwinden, hinaus zu strömen aus unseren verschlossenen Kirchen, hinaus in die Welt, die suchenden, orientierungslosen Menschen einzuladen, die frohe Botschaft von Jesus Christus kennen zu lernen. Schluss damit, dass man unterwegs auf eine Kirche trifft, hineingehen will und ärgerlich feststellt, diese Kirche ist verschlossen, also eine evangelische Kirche.

Liebe Synodale, natürlich ist das, was wir uns für das nächste Jahr vorgenommen haben, auch eine gewaltige organisatorische und logistische Herausforderung. Allein in Erfurt von der europäischen Reformationsstadt Erfurt und unserem Kirchenkreis über 250 geplante Veranstaltungen, vom öffentlichen Tafeln unter freiem Himmel mit Margot Käßmann und 500 selbst gebackenen Kuchen, bis hin zum öffentlichen Glockenguss auf dem Domplatz !

Welch ein Geschenk, dass wir mit den heutigen Kommunikationsmöglichkeiten so viele Menschen wie kaum jemals sonst erreichen können mit unserer frohen Botschaft. Da darf es auf unserer Seite nicht einen unbeteiligten Zuschauer geben sondern wir alle müssen zu fröhlichen Aktivisten werden, die aus vollem Herzen vielstimmig singen: „Ein feste Burg ist unser Gott“.

Und in diesem Zusammenhang ein letztes: Gerade Kinder und Jugendliche sind uns in besonderer Weise anvertraut. Sie sind es, die die frohe Botschaft an die nachfolgenden Generationen weitergeben sollen. Deshalb die herzliche Bitte unserer Kreissynode: Schaffen wir gemeinsam die finanziellen Voraussetzungen dafür, dass die Arbeit für Kinder und Jugendliche auf keinen Fall durch finanzielle Kürzungen zurückgefahren werden muss. Das wäre das Gegenteil von dem, was wir gemeinsam mit allen Kräften erreichen wollen: Die frohe Botschaft, die wir weitergeben dürfen und sollen, muss alle erreichen, vor allem auch unsere Kinder und Heranwachsenden.

Lasst uns nicht pessimistisch auf Statistiken starren, uns in das scheinbar unvermeidliche Schicksal fügen, als Kirche immer weiter zu schrumpfen, als Minderheit uns letztlich nur noch auf uns selbst zu besinnen, Minderbedarfe für hauptamtliche Mitarbeiter für die nächsten Jahre und Jahrzehnte zu berechnen, sondern lassen Sie uns als Mitarbeiter im Weinberg Jesu Christi, im Vertrauen auf Gott an einer wieder wachsenden Kirche bauen, einer Kirche, die nicht aus dem Geist der Furcht sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit lebt, wächst und gedeiht.

Ich wünsche uns allen ein Reformationsjubiläumsjahr, dass für Kirchennahe und für Kirchenfremde die christliche Botschaft und die christliche Kirche in all´ ihrer Vielfalt mit fröhlichen Herzen wieder lebendig werden lässt!

Dr. Ulrich Born